Bislang habe wurden in den IQB-Länderberichten, den Berichten zu den Schulleistungsstudien IGLU und TIMSS sowie Statistiken der Länder Angaben zu den Schulstunden, die ohne Lehrbefähigung erteilt werden, oder Lehrkräften ohne Lehrbefähigung oder Fachstudium für einzelne Fächer angegeben. Im Rahmen einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage in Nordrhein-Westfalen (NRW) stellt sich die Frage, ob nicht fast jede/e Lehrer*in regelmäßig oder zumindest zeitweise in ihrem Berufsleben fachfremd unterrichtet. Eine Antwort des Landtags NRW (2019) enthält für die in diesem Bundesland vorhandenen Schulformen entsprechende Zahlen. Mindestens eine Schulstunde (Schuljahr 2017/18) erteilten 84.4 % der Lehrkräfte an Hauptschulen fachfremd, an Sekundarschulen 76 %, an Gemeinschaftsschulen 59.2 %, an Realschulen 58.1 %, an Gesamtschulen 48.8 % und an Gymnasien 17.6 % – im Durchschnitt fast 41 % aller in NRW tätigen Lehrer*innen unterrichteten also regelmäßig ohne die entsprechende Fachausbildung. Die hohe Anzahl an fachfremd tätigen Hauptschullehrkräfte wird mit dem Klassenlehrerprinzip erklärt. Andere Erklärungen sind nach einem kürzlich durchgeführten Interview mit einem Schulleiter einer Hauptschule, dass neben der Größe der Schule, die eine Rolle spielt, die Attraktivität der Schulform. Diese ist vergleichsweise gering, so dass es generell schwierig ist, überhaupt ausreichend Lehrkräfte zu gewinnen. Mit Ausnahme des Gymnasiums ist an allen weiterführenden Schulen die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Lehrkräfte einmal oder regelmäßig in einem Schuljahr fachfremd unterrichten. Langzeitstudien sind bislang aus dem deutschsprachigen Raum nicht bekannt, würden aber vermutlich die Erkenntnis liefern, dass fast jede(r) Lehrer*in in ihrem Leben fachfremd unterrichtet – eine Situation, die eine Revision des Berufsprofils von Lehrkräften erfordern würde.
Referenz:
Landtag Nordrhein-Westfalen (2019). Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1929 vom 22. Januar 2019 des Abgeordneten Helmut Seifen AfD. Drucksache 17/4915. Verfügbar unter: https://www.landtag.nrw.de/Dokumentenservice/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-5207.pdf